Archive for the ‘Archiv’ Category
Grober Behandlungsfehler-Nichtbeachtung von einschlägiger Fachliteratur
Ein Arzt ist verpflichtet, sich in seinem Fachgebiet regelmäßig weiterzubilden. Erkenntnisse, die in einer führenden Fachzeitschrift veröffentlicht werden, muss er zeitnah im Berufsalltag umsetzen. Versäumt er diese Pfkicht, kann dies einen groben Behandlungsfehler darstellen mit der Folge eines Haftungsanspruches des Patienten. ( OLG Koblenz,20.06.12 5U1450/11)
Strafzumessung bei besonders schweren Fällen des Landfriedensbruchs und des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte
Der Bundesgerichtshof hat ein Urteil des Landgerichts Bonn wegen fehlerhafter Strafzumessung aufgehoben. Das Gericht hatte einen Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe über sechs Jahren wegen Landfriedensbruchs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt. In seiner Strafzumessung hat das Gericht zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass er Repräsentanten des Staates angegriffen und diese ihm keinen Anlass für die Angriffe gegeben hätten. Das war rechtsfehlerhaft., da bereits der Tatbestand des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte eine gegen einen Amtsträger der Bundesrepublik gerichtete Handlung voraussetzt, so dass hier ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot vorliegt. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gericht bei richtiger Anwendung der Strafzumessungskriterien zu einer geringeren Strafe gekommen wäre, war das Urteil aufzuheben. ( BGH 2 StR 119/13, Urteil vom 9.10.13)
Voreiliger Schluss auf gewerbsmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln
Nur weil bei einem Angeklagten während einer Durchsuchung von der Polizei eine große Menge an Marihuana und in erheblichem Umfang Verpackungsmaterial gefunden worden ist und der Angeklagte nur Sozialleistungen bezieht, hat sich der Angeklagte noch nicht wegen gewerbsmäßigen Handeltreibens strafbar gemacht. Das Tatgericht muss vielmehr auch Feststellungen dazu treffen können, wann der Angeklagte das Marihuana zu welchem Preis eingekauft hat, an welche Kunden der Verkauf beabsichtigt war und wie hoch sein Eigenkonsumanteil an der festgestellten Menge einzuschätzen ist. Nur in diesem Fall gibt es für das Gericht eine Verurteilungsgrundlage für die bei der Annahme von gewerbsmäßigem Handeln notwendigen Gewinnerzielungsabsicht. ( OLG Hamm 28.2.13, III-RVs 2/13)
Fahrradunfall ohne Helm – Mitverschulden an Kopfverletzung
Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Schleswig-Holstein trifft eine Fahrradfahrerin ein Mitverschulden von 20% an den von ihr erlittenen Kopfverletzungen, weil sie keinen Schutzhelm getragen und damit Schutzmaßnahmen zu ihrer eigenen Sicherheit unterlassen habe. Zwar bestehe keine allgemeine Helmpflicht für Radfahrer, diese seien heutzutage aber im täglichen Straßenverkehr einem besonderen Verletzungsrisiko ausgesetzt. Daher könne nach heutigem Erkenntnisstand davon ausgegangen werden, dass ein verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens einen Helm trägt. (Urteil vom 05.06.13, 7 U 11/12)
Besonders schwerer Raub in Mittäterschaft auch ohne eigene Verletzungshandlung
Der Bundesgerichtshof hat ein Urteil des Landgerichts Kiel in Teilen aufgehoben, in dem das Landgericht vier Angeklagte wegen Raubes verurteilt hat. In einem neuen Verfahren wird zu klären sein, ob nicht auch eine Verurteilung wegen besonders schweren Raubes mit der Folge einer deutlich höheren Straferwartung in Betracht kommt.
Die vier Angeklagten hatten sich vorgestellt, einen Mann in dessen Wohnung zu überfallen und auszurauben. Sie sind dabei davon ausgegangen, dass das spätere Opfer sich bereits angesichts ihrer Überzahl nicht weiter zur Wehr setzten wird. Die Anwendung schwerer Gewalt war nicht geplant. Der Geschädigte setzte sich aber heftig gegen zwei der Angeklagten zur Wehr, während die anderen beiden Angeklagten in der Wohnung nach Beute suchten. Einer der beiden Angeklagten trat so stark zu, dass es beim Opfer zu einem Trümmerbruch im Knie kam. Der Geschädigte schrie vor Schmerzen. Das Landgericht konnte in der Hauptverhandlung nicht feststellen, wer den Geschädigften getreten hat und hat deshalb alle vier „nur“ wegen Raubes verurteilt. Der Bundesgerichtshof stellt jetzt klar, dass auch während der Tatausführung eine Vorsatzerweiterung hinsichtlich des ursprünglichen Tatplans in Betracht kommt, es also nicht auszuschließen ist, dass alle vier Angeklagten sich während der Tatausführung mit der schweren Gewaltanwendung einer der Mittäters stillschweigend einverstanden erlärt haben und deshalb alle vier wegen besonders schweren Raubes zu verturteilen sein könnten. ( BGH 5 StR 575/12)
KG Berlin: Kein Wechselmodell gegen den Willen der Eltern
Das Wechselmodell -das Kind lebt zu gleichen Zeitanteilen abwechselnd im Haushalt eines Elternteils- darf grundsätzlich nicht gegen den Willen eines Elternteils gerichtlich angeordnet werden. Im zur Entscheidung des Kammergerichts stehenden Fall, würde dem Kind ein Wechselmodell eher schaden. Es bestünde die Gefahr, dass die entstehenden Konflikte aufgrund der fehlenden Kommunikation der Eltern auf dem Rücken des Kindes ausgetragen werden. Das Konfliktpotenzial wäre sogar größer, da sich der Vater auf das Wechselmodell nur gezwungener Maßen eingelassen hätte.
KG Berlin, Beschluss vom 14. 3. 2013, 13 UF 234/12
Fahrverbot-wo muss der Führerschein abgegeben werden?
Verhängt ein Gericht gegen den Betroffenen einer Verkehrsordnungswidrigkeit ein Fahrverbot, so ist der Führerschein grundsätzlich bei der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde in amtliche Verwahrung zu geben, um die Fahrverbotsfrist wirksam in Gang zu setzen.
Gibt ein Betroffener seinen Führerschein allerdings bei einer zur Entgegennahme bereiten Polizeidienststelle ab, genügt auch dies, um der gerichtlichen Entscheidung Folge zu leisten.
( AG Parchim 5 OWIG 424/12)
Unfallschaden-Ansprüche des Geschädigten
Das Landgericht Köln hat entschieden, dass es für den Geschädigten nach einem Unfall nicht zumutbar ist, einen laut Gutachten fahrbereiten, aber nicht verkehrssicheren Pkw zu nutzen. In diesen Fällen darf sich ein Geschädigter ein Ersatzfahrzeug nehmen, für dessen Kosten die Versicherung des Unfallverursachers aufzukommen hat.
(LG Köln 11 S 89/12)
Wegnahme einer Fan-Jacke
Nach einem Fußballspiel haben zwei Fans des 1.FC Nürnberg einem Anhänger der Spielvereinigung Greuther Fürth dessen weiß-grüne Fan Jacke vom Leib gerissen. Einer der beiden hat die Jacke erst unter seinen Pullover gesteckt und danach in den Kofferraum seines Autos gelegt. Erst später wollten die beiden entscheiden, ob sie die Jacke entsorgen oder als Trophäe behalten wollen.
Die beiden Fans wurden sowohl vom Amtsgericht als auch in der Berufung vom Landgericht wegen Raubes zu einer Freiheitstrafe auf Bewährung verurteilt. Das Oberlandesgericht Nürnberg hat das Urteil bestätigt.
Nicht durchgedrungen sind die Clubfans mit ihrem Argument, es handele sich nur um ein Bagatelldelikt.
(OLG Nürnberg, Beschluss vom 7.11.12-1 St OLG Ss 258/12)
Haftbeschränkungen in der Untersuchungshaft setzen eine konkrete Gefährdung des Haftzwecks voraus
Gegen eine wegen Raubes beschuldigten Frau hat das Landgericht Köln die Untersuchungshaft wegen bestehender Fluchtgefahr angeordnet.Aus dem gleichen Grund hat das Gericht angeordnet, dass die Besuche, die Telekommunikation und der Schrift-und Paketverkehr der Gefangenen zu überwachen sind.
Das war nicht zulässig. Die Anordnung besonderer Überwachungsanordnungen
in der Untersuchungshaft erfordert über die angenommene Fluchtgefahr hinaus immer die konkrete Gefährdung des Haftzweckes. Es müssen demnach Anhaltspunkte vorliegen, dass ein Gefangener etwa Außenkontakte zu Fluchtvorbereitungen nutzen könnte, eine Bandenstruktur zu vermuten oder Absprachen mit Zeugen für die Hauptverhandlung zu befürchten sind.
(OLG Köln Beschluss 28.12.12 2 Ws 896/12)