Artikel zum Thema ‘Verteidiger’

Unverhältnismäßige Durchsuchung von Kanzleiräumen

Im zugrundeliegenden Fall hatte das Amtsgericht München die Durchsuchung der Rechtsanwaltskanzlei eines Verteidigers angeordnet ohne sich mit der Problematik der Durchsuchung bei Berufsgeheimnisträgern auseinanderzusetzen. Auf die Beschwerde des Betroffenen gab das Landgericht dem Amtsgericht Recht. Das Bundesverfassungsgericht hat die Instanzgerichte deshalb schwer gerügt. Die Anordnung der Durchsuchung von Kanzleiräumen des Strafverteidigers eines Angeklagten ist unverhältnismäßig, wenn voraussichtlich auch Erkenntnisse zu erwarten sind, über die ein Zeugnisverweigerungsrecht besteht. Darüberhinaus bringe eine Durchsuchung bei einem Berufsgeheimnisträger immer die Gefahr mit sich, dass auch Daten von anderen Mandanten eines Rechtsanwaltes zur Kenntnis der Ermittlungsbehörden gelangen, die die Betroffenen in der Sphäre des Anwaltes gerade als sicher wähnen dürfen. (BVerfG, Beschluss 06.11.14-2BvR 2928/10)

Bundesgerichtshof stärkt den Rang der Selbstbelastungsfreiheit

Ein wegen versuchten Totschlags Beschuldigter hatte gegenüber der für ihn zuständigen Ermittlungsrichterin nach deren Belehrung über sein Schweigerecht sowie über das Recht einen Verteidiger hinzuzuziehen, eine spontane Äußerung zum Randgeschehen des Tatvorwurfs gemacht. Das geschah nachdem sein Verteidiger nicht zu erreichen war und er angegeben hatte, von seinem Schweigerecht Gebrauch machen zu wollen. Die Ermittlungsrichterin fragte nach und der Beschuldigte belastete sich daraufhin schwer. Nach der Hinzuziehung seines Verteidigers widerrief  der Beschuldigte sein Geständnis und machte in der Hauptverhandlung von seinem Schweigerecht Gebrauch. Das zuständige Gericht verurteilte ihn aufgrund seiner Äußerungen vor der Ermittlungsrichterin.

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofes war das verfahrensfehlerhaft. Aufgrund des hohen Ranges der Selbstbelastungsfreiheit hätte die Ermittlungsrichterin nicht weiter nachfragen dürfen mit dem Ergebnis, dass die Äußerungen des Beschuldigten für eine Verurteilung nicht zu Grunde gelegt hätten werden dürfen. (BGH 27.06.13, 3 StR 435/12)

Angekündigtes Zuspätkommen – Gericht darf Berufung nicht verwerfen

Das Landgericht Bonn hat die Berufung eines Angeklagten mit der Folge der Rechtskraft der Entscheidung des Amtsgerichtes  mit der Begründung verworfen, der Angeklagte sei nicht erschienen. Das war im konkreten Fall nicht zulässig. Das Gericht hatte bereits 10 Minuten nach Beginn der Hauptverhandlung von dessen Verteidiger erfahren, dass der Angeklagte  auf dem Weg zur Verhandlung sei und in ungefähr einer halben Stunde eintreffen würde. Kurz vor dem Eintreffen des Angeklagten sprach das Landgericht das Urteil. Das Oberlandesgericht Köln hat darin zu Recht einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens gesehen. (OLG Köln, 5.2.13-III-1 RVs 12/13)